Artikel in der Augsburger Allgemeine vom 15.08.2021
Der in der Kolumne dargestellte Weg bei einem möglicherweise überschuldeten Nachlass ist nur teilweise richtig dargestellt.
Richtig wurde dargestellt, dass der Erbe die Möglichkeit hat, die Erbschaft anzunehmen oder auszuschlagen. Die Annahme der Erbschaft erfolgt aber auch automatisch und muss nicht erklärt werden.
Im Artikel wurde dies jedoch begrenzt auf den Nachlass eines Angehörigen.
Die Annahme oder Ausschlagung bezieht sich auf alle Erbfälle unabhängig davon, ob es sich bei dem Erblasser um einen Angehörigen oder einen vollkommen fremden Dritten handelt.
Zudem wird im Artikel ausgeführt was folgt:
„Das ist nicht immer eine einfache Entscheidung: Denn man tritt rechtlich in die Fußstapfen des Erblassers, was auch die volle persönliche Haftung für dessen Schulden und Verbindlichkeiten umfasst. Wenn also wichtige Informationen über den Nachlass und dessen Folgen fehlen, für den kann es schon mal stressig werden. Denn in der Regel bleibt nicht viel Zeit für eine Erbausschlagung.
(…) Sobald man von der Erbschaft erfahren hat, beginnt die sechswöchige Frist zur Ausschlagung. Wird ein Testament beim Nachlassgericht hinterlegt, beginnt die Frist erst, wenn man vom Gericht angeschrieben worden ist.“
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Diese Ausführungen sind in dieser Kürze irreführend.
Generell haftet der Erbe für Verbindlichkeiten. Eine Ausschlagung ist aber nur dann interessant, wenn der Nachlass überschuldet ist. Überschuldet bedeutet, dass die Verbindlichkeiten höher sind als die Vermögenswerte, die hinterlassen worden sind.
Wenn also im Nachlass eine Immobilie sich befindet, die einen Wert hat von 300.000,00 Euro und die gesamten Darlehensverbindlichkeiten sei es aus Hausfinanzierung und Leasing betragen 450.000,00 Euro, dann wird es sinnvoll sein, die Erbschaft auszuschlagen.
Wenn allerdings nur Verbindlichkeiten vorhanden sein sollten von 200.000,00 Euro, das heißt, dass de Verbindlichkeiten niedriger sind als die sonstigen Vermögenswerte, dann ist eine Ausschlagung gerade aus wirtschaftlichen Gründen nicht interessant.
Bei gesetzlicher Erbfolge ist die Frist sechs Wochen ab Kenntnis des Erbfalls. Dies sechs-Wochen-Frist setzt aber auch voraus, dass man Kenntnis hat, dass gerade kein Testament oder ein Erbvertrag vorhanden ist.
Wenn also die Erben vom Erblasser gehört haben, es gibt ein Testament und es wird nicht gefunden, sodass es dann zur gesetzlichen Erbfolge kommt, dann beginnt die sechs-Wochen-Frist nicht ab Kenntnis des Todes, sondern ab der Erkenntnis, dass die letztwillige Verfügung nicht gefunden werden kann, beziehungsweise dass dann feststeht, dass ein Testament nicht vorhanden ist.
Die Ausführungen, dass es stressig sein soll, so im Artikel ist in dieser Form unrichtig.
Klarerweise ist es derzeit so, dass im Gegensatz zum Zeitpunkt der Erstellung des Bürgerlichen Gesetzbuches die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse weitaus übersichtlicher sind als vor knapp 130 Jahren. Wenn beispielsweise nunmehr ein Erbe die sechswöchige Frist nach Kenntnis des Ablebens nicht einhält und Verbindlichkeiten wie Steuerverbindlichkeiten, Darlehensverbindlichkeiten etc. erst sechs Wochen oder sechs Monate seien es auch mehrere Jahre nach dem Ableben des Erblassers erfährt, kann er untechnisch ausgedrückt immer nochmals ausschlagen.
Dies nennt sich dann Anfechtung wegen Versäumung der Ausschlagungsfrist. Dies soll an folgendem Beispiel dargestellt werden:
Der Erblasser war Eigentümer eines Anwesens in Lechhausen und betrieb dort eine Kfz-Werkstatt.
Er verstarb im Jahr 2015 und hinterließ keine letztwillige Verfügung in Form eines Einzeltestaments etc.
Nachdem er sich Jahre vor dem Erbfall hat scheiden lassen, sind nunmehr seine gesetzlichen Erben die aus dieser geschiedenen Ehe entstammenden drei Abkömmlinge.
Die drei Abkömmlinge erklärten keine Ausschlagung beim Amtsgericht Augsburg Nachlassgericht und ließen auch keine Ausschlagungserklärung bei einem der Augsburger Notariate beurkunden.
Im Rahmen einer nach dem Ableben durchgeführten postmortalen Betriebsprüfung durch das Finanzamt Augsburg Stadt stellte sich heraus, dass Umsatzsteuer und Einkommensteuer sowie Gewerbesteuer in einer Gesamtgrößenordnung von knapp 800.000,00 Euro nicht abgeführt worden sind. Das Ergebnis der Betriebsprüfung lag dann im Jahr 2021 vor.
Sechs Jahre nach dem Erbfall steht nunmehr fest, dass der Nachlass überschuldet ist.
Selbst bei den gestiegenen Immobilienwerten ist der Kfz-Betrieb in Lechhausen weniger Wert als die Verbindlichkeiten beim Finanzamt.
Die Erben können nunmehr auch noch nach sechs Jahren sich zum Amtsgericht Augsburg Nachlassgericht begeben oder zu einem der Augsburger Notariate und können dort nach Beratung durch Fachanwälte für Erbrecht die Anfechtung wegen Versäumung der Ausschlagungsfrist beurkunden lassen.
Wie also vorstehend dargestellt wurde, besteht keine Stresssituation in Hinblick auf möglicherweise überschuldete Nachlässe hier voreilig und übereilend die Erbausschlagung zu erklären.
In der Augsburger Allgemeine wird ausgeführt:
„Ist der Nachlass unübersichtlich und ist für die Erben nicht absehbar, welche Verpflichtungen auf sie zukommen, kann die Haftung auf den Nachlass beschränkt werden. Dann haften nicht mehr die Erben mit ihrem Privatvermögen.
Das Gericht bestellt dann einen Nachlassverwalter, der vorrangig alle Schulden aus dem Nachlass begleicht. Was übrig bleibt, wird an die Erben ausbezahlt. Reicht das Erbe nicht für die Bezahlung der Schulden, endet die Nachlassverwaltung. Der Nachlassverwalter beantragt dann ein Nachlassinsolvenzverfahren. Ist der Nachlass überschuldet, bietet das Nachlassinsolvenzverfahren einen Ausweg. Auch dort ist die Haftung des Erben auf den Nachlass beschränkt und hat auch auf diesen keine negativen Auswirkungen. Das Gericht eröffnet das Verfahren nur, wenn aus dem Nachlass die Kosten des Verfahrens bezahlt werden können. Ist dies nicht der Fall, stellt das Gericht die sogenannte Dürftigkeit des Nachlasses fest.“
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Die Ausführungen in der Augsburger Allgemeine halten jedoch den juristischen Überprüfungen durch eine Erbrechtskanzlei beziehungsweise einen Fachanwalt für Erbrecht nicht stand.
Die Haftungsbegrenzung auf den Nachlass ist relativ schnell dahingesagt, ist aber ohne die begleitenden Mittel, nämlich Beantragung Nachlassverwaltung, Beantragung Nachlassinsolvenzverfahren, eine vollkommene harmlose ineffektive und gerade nicht haftungsbegrenzende Maßnahme.
Die reine Erklärung der Haftungsbegrenzung auf den Nachlass bringt überhaupt nichts. Viele diesbezüglichen Ausführungen in Internetberatungsportalen, Kurzartikeln so auch in der Augsburger Allgemeine sind irreführend.
Die effektive und ausschließliche Haftungsbegrenzung auf den Nachlass setzt voraus, dass der Erbe eine Nachlassverwaltung beantragt.
Er kann einen Antrag auf Eröffnung der Nachlassverwaltung stellen.
Im Regelfall werden bayerische Gerichte, die Entscheidung darüber, ob Sie einen Beschluss fassen, dass Nachlassverwaltung angeordnet werden wird, von der Vorschusszahlung von 5.000,00 Euro bis 15.000,00 Euro abhängig machen.
Der reine Anordnungsbeschluss für die Anordnung der Nachlassverwaltung beispielswese beim Amtsgericht Augsburg löst zwar nur Kosten aus in Höhe von 400,00 bis 800,00 Euro. Das Nachlassgericht verlangt aber als Vorschuss die mutmaßlichen Kosten des Nachlassverwalters.
Wenn also der Erbe den Betrag von 5.000,00 Euro bis 15.000,00 Euro nicht auftreiben kann, dann wird es auch keinen Beschluss zur Eröffnung der Nachlassverwaltung geben.
Dies war zumindest die Übung des Amtsgericht Augsburg Nachlassgericht und auch die Entscheidungslage des Amtsgericht München Nachlassgericht in Erbangelegenheiten in denen ein Antrag auf Nachlassverwaltung gestellt wurde.
Ein Antrag auf Nachlassverwaltung ist immer dann interessant, wenn der Nachlass verschuldet ist, aber nicht überschuldet ist. Dies soll an einem kleinen Beispiel dargelegt werden:
Der Erblasser wiederum Betreiber einer Kfz-Werkstatt in Lechhausen/Augsburg verstirbt. Es werden wieder seine drei Abkömmlinge gesetzliche Erben.
Das Grundstück hat einen Wert von 2,4 Mio. Euro. Geldmittel bei Sparkassen und Banken sind nicht vorhanden. Es sind jedoch Verbindlichkeiten beim Finanzamt in Höhe von 800.000,00 Euro vorhanden. Das Finanzamt kann wegen der Forderung von 800.000,00 Euro in das Vermögen und in das laufende Einkommen der Erben pfänden. Um zu vermeiden, dass die Pfändung in Konten und Häuser der Erben erfolgt, können die Erben Nachlassverwaltung beantragen. Sie müssen die 15.000,00 Euro im Nachlassverfahren beim Nachlassgericht Augsburg einzahlen. Dann kann wiederum das Finanzamt Augsburg Stadt als Gläubiger der rückständigen Steuerforderungen nur noch in den Nachlass hinein zwangsvollstrecken und nicht mehr in das Vermögen der Erben.
Ein entsprechender Antrag beim Amtsgericht Augsburg Nachlassgericht sollte durch die Erbrechtskanzlei Eulberg und Ott-Eulberg, Ludwigstraße 22, 86152 Augsburg vorbereitet werden, da sowohl die formellen als auch materiellen Voraussetzungen für einen wirksamen Antrag auf Nachlassverwaltung im Endeffekt nur durch diesbezüglich erfahrene Kanzleien vorgenommen werden können.
Die Erbrechtskanzlei Eulberg und Ott-Eulberg hat mehrere Buchartikel zu dem Themenbereich Nachlassverwaltung und Nachlassinsolvenzverfahren geschrieben.
Wenn der Nachlass überschuldet ist, also nicht nur verschuldet ist, ist der Antrag auf Nachlassverwaltung geradezu das verkehrte Mittel.
Das richtige Mittel beim überschuldeten Nachlass ist ausschließlich der Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens.
In der Vergangenheit war es so, dass wenn dann das Nachlassinsolvenzverfahren mangels Masse abgelehnt worden ist, das Augsburger Insolvenzgericht dem antragstellenden Erben im Regelfall 700,00 bis 1.400,00 Euro in Rechnung gestellt hat. Die diesbezügliche Haftungsbegrenzung auf den Nachlass wollte jedoch dann das Amtsgericht Augsburg Insolvenzgericht nicht vollziehen, sondern hat dann an den jeweils antragstellenden Erben den Gerichtsvollzieher geschickt.
Es muss also einkalkuliert werden, dass bei der Antragstellung des Nachlassinsolvenzverfahrens der antragstellende Erbe auf Kosten zwischen 700,00 bis 1.400,00 Euro hängen bleibt.
Die Dauer der Feststellung der Dürftigkeit des Nachlasses ist oftmals langwierig. Die dabei beauftragten Insolvenzverwalter des Amtsgericht Augsburg Nachlassgericht lassen sich hier teilweise 12, 24 und im Einzelfall auch schon einmal 36 Monate Zeit, sie sind nicht die schnellsten.
Wenn das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, dann wickelt der Nachlassverwalter den Nachlass ab, wobei zu berücksichtigen ist, dass in den allermeisten Fällen zuerst einmal wenn und soweit vorhanden 40.000,00 Euro an den Nachlassinsolvenzverwalter fließen.
Danach werden Steuer- und öffentliche Abgaben sowie Kranken- und Sozialversicherungsbeiträge sowie Bestattungskosten weggefertigt und nur der Rest bleibt dann übrig für die weiteren Nachlassgläubiger.
Was ist beispielsweise, wenn der Erbe die Erbschaft angenommen hat und erst nach drei, vier Jahren es sich herausstellt, dass der Nachlass überschuldet ist und er sozusagen entweder die Anfechtung wegen Versäumung der Ausschlagungsfrist erklärt oder Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens erklärt, muss er dann das, was er aus dem Nachlass erlangt hat herausgeben?
Prinzipiell ist der Erbe verpflichtet all das, was er aus dem Nachlass erhalten hat, wiederum herauszugeben.
Die einzige Möglichkeit ist, dass er den Einwand der Entreicherung erhebt.
Dies bedeutet er muss nachweisen, dass er das Nachlassvermögen ausschließlich für Konsumzwecke verwendet hat. Wenn er also nachweist, dass das Geld für Musikunterricht, Theater- oder Boxveranstaltungen oder Mallorca-Urlaub ausgegeben wurde, dann haftet er nicht. Wenn er jedoch den Nachlass oder Teile des Nachlasses in eine Solaranlage oder in Kunst investiert hat, dann muss er Wertersatz leisten, außer die Kunstgegenstände sind nichts mehr wert. (Kunst und Erbe sind ein ganz spezielles Thema)
Auf diese Folgen werden jeweils die Erben bei verschuldeten und überschuldeten Nachlässen von der Erbrechtskanzlei Eulberg und Ott-Eulberg hingewiesen.