Die unterschiedlichen Formen von erbrechtlichen Erwerbssituationen und deren Auswirkungen auf das Bürgergeld.
1. Gesamtrechtsnachfolge, auch genannt Universalsukzession
Ausgangspunkt für alle Überlegungen, auf welche Art und Weise Erben vom Erblasser Vermögensgegenstände erhalten, ist die Gesamtrechtsnachfolge. Gemäß § 1922 BGB geht das Vermögen des Erblassers als Ganzes auf den oder die Erben über. Der Erbe wird Inhaber sämtlicher Vermögenswerte. Das Vererben von Einzelgegenständen ist nach deutschem Erbrecht nicht möglich. Dies ist begünstigt kein Bürgergeld.
2. Singularsukzession, sogenannte Einzelrechtsnachfolge
Im Gegensatz zur Gesamtrechtsnachfolge kann bei gesellschaftsrechtlichen Situationen die Mitgliedschaft in Personengesellschaften, BGB-Gesellschaften, OHG und KG durch Einzelrechtsnachfolge geregelt werden. Diese Einzelrechtsnachfolge erfolgt allerdings nicht durch Testament, Erbvertrag oder sonstige letztwillige Verfügung, sondern bereits auf der Ebene des Gesellschaftsvertrags.
Es kommt zu einer sogenannten partiellen Nachlassspaltung. Bei der Singularsukzession handelt es sich zwar um einen erbrechtlichen Erwerb, aber auf der Basis des Gesellschaftsvertrags.
Im Regelfall setzt eine solche Nachfolge § 139 HGB voraus, so ab dem 01.01.2024 § 131 HGB.
Möglich wird dies auch, wenn das Recht der Personengesellschaft nach dem MoPeG reformiert worden ist.
Zudem gilt der Grundsatz: Gesellschaftsrecht vor Erbrecht.
Dazu gibt es keine gesicherte Erkenntnis beim Bürgergeld.
3. Vermächtnis
Das Vermächtnis ist das Standardmodell testamentarischer Regelung, wenn einer Person oder einer Personengruppe oder auch einer juristischen Person Einzelpositionen (Gegenstände, Geld und Rechte) aus dem Nachlass zugedacht werden.
Der Vermächtnisnehmer hat einen schuldrechtlichen Anspruch auf Verschaffung des vermachten Gegenstands gemäß § 2174 BGB gegenüber den Erben.
Das Vermächtnis nach deutschem Recht ist ein Damnationslegat.
Im deutschen Recht gibt es kein Vermächtnis i. S. d. des Vindikationslegats.
4. Pflichtteilsanspruch
Auch der Pflichtteil, oftmals unzutreffend bezeichnet als Pflichtanteil, begründet nach § 2303 BGB nur einen schuldrechtlichen Geldanspruch. Der Pflichtteilsanspruch ist eigentlich kein typischer erbrechtlicher Anspruch im eigentlichen Sinn.
Es ist ein Anspruch, der zwar im Rahmen der Regelungen zum Erbrecht normiert ist, ist aber keine Erbschaft.
Das deutsche Pflichtteilsrecht unterscheidet sich hier ganz eklatant von dem italienischen oder schweizerischen Erbrecht, wonach der Pflichtteilsberechtigte Noterbe ist, also Miterbe ist, mit einer reduzierten Erbquote.
Keine konkrete Stellungnahme bezüglich des Bürgergeldes.
5. Ausgleichszahlungen
Auch die Ausgleichszahlungen sind nicht typischerweise erbrechtliche Ansprüche, werden aber trotzdem zu den erbrechtlichen Ansprüchen gezählt, da diese Zahlungen oftmals als Ausgleich für lebzeitigen Erwerb durch einen Abkömmling bezahlt werden, beispielsweise: einer der beiden Abkömmlinge bekommt das Einfamilienhaus in Augsburg und muss seinem Geschwisterteil 50.000€ auszahlen.
Auch die Ausgleichszahlungen für einen Pflichtteilsverzichtsvertrag sind keine Erbschaft, werden aber zu den erbrechtlichen Ansprüchen gezählt.
Auch die gesetzlichen Ausgleichsansprüche i. S. v. § 2050 ff. BGB, aber auch der Pflegeausgleich nach § 2057a BGB zählen hierzu.
6.
Weitere Erwerbe sind die Schenkung von Todes wegen § 2301 BGB und die Schenkungen unter Lebenden. Auch hier fehlt eine klare Regelung bei Bürgergeld.
Bei der Schenkung auf den Todesfall ist zu beachten, dass dieser nur dann wirksam ist, wenn hier eine entsprechende notarielle Beurkundung erfolgt ist.
Bei Schenkungen unter Lebenden ist nur eine notarielle Beurkundung notwendig, wenn es sich um Grundstücksanteile bzw. Anteile an Kapitalgesellschaften handelt.
7. Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall (§§ 328, 331 BGB)
In unserem Buch „Erbrecht und Banken“ haben wir ausgiebig zu dieser Situation Stellung genommen.
Der Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall kommt insbesondere vor bei Lebens- und Rentenversicherungen, aber auch einzelnen Konten.
Resümee
Der unterschiedliche Erwerb war auch in der Vergangenheit unterschiedlich behandelt worden bei dem SGB II (Bürgergeld, früher ALG II oder Hartz IV bzw. beim SGB XII Sozialhilfe).
Durch die Einführung des Bürgergelds kommt es zu einer anderen Behandlung von Erbschaften, Vermächtnissen und Pflichtteilsansprüchen. In der Vergangenheit war es so, dass dieser Leistungsbezug als Einkommen erfasst wurde und somit verbraucht werden musste. Erst nach 6 Monaten wurde in der Vergangenheit der verbliebene Teil des erbrechtlichen Erwerbs als Vermögen privilegiert.
Nunmehr werden die erbrechtlichen Erwerbe als Vermögen qualifiziert. Dies führt zu einer deutlichen Entlastung auf dem Erbe des Beziehers und zu einer Mehrbelastung des Staates.
So ist z. B. bei einer vierköpfigen Familie ein Betrag aus einer Erbschaft in Höhe von 60.000 Euro anrechnungsfrei.
Leider ist allerdings die gesetzliche Regelung zum Bürgergeld von der Ampelkoalition von der nicht mit der notwendigen Sorgfalt erstellt worden.
Aufgrund der nicht exakten Bearbeitung des Bürgergeldgesetzes ist ungeklärt, ob die Begünstigung, wie oben dargestellt, auch für die sonstigen erbrechtlichen Erwerbe wie Einzelrechtsnachfolge, Vermächtnis, Pflichtteil, Ausgleichszahlungen, Schenkungen von Todes wegen und Verträge zugunsten Dritter erfasst.
Der sehr schludrig formulierte Wortlaut von § 11a Abs. 1 Nr. 7 SGB II, § 82 Abs. 1 Nr. 9 SGB XII, § 25d Abs. 1 Nr. 7 BVG umfasst nämlich nur Erbschaften.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes sind somit alle anderen erbrechtlichen Erwerbe weiterhin als Einkommen zu betrachten, die dann dazu führen, dass die Bürgergeldansprüche nicht oder nur vermindert zur Auszahlung kommen.
Dies kann vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen sein, ist allerdings der unsorgfältigen Arbeitsweise der Ampelkoalitionen geschuldet.
Es muss überlegt werden, ob dann eben Gerichte die oberflächliche Formulierung durch eine Auslegung korrigieren.
Der Gesetzgeber ist an die verfassungsgemäße Ordnung und Grundrechte gebunden, Art. 1 Abs. 2, 20 Abs. 3 GG. Als Grundrecht kommt der Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht. Gleiche Sachverhalte dürfen nämlich ohne sachlichen Grund nicht ungleich behandelt werden.
Meiner Auffassung nach sind sämtliche Fälle des erbrechtlichen Erwerbs im Leistungsbezug als vergleichbar einzuordnen.
Aus welchen Gründen hier eine Differenzierung vorgenommen worden ist, ist nicht erkennbar. Der Gesetzgeber war wohl erbrechtlich überfordert.
Aus welchen Gründen gerade der Pflichtteilsanspruch nicht der Verschonungsregelungen des Bürgergelds unterliegen soll, ist vollkommen offen.
Dies soll an einem Beispiel dann gestellt werden:
Der Erblasser hat zwei Abkömmlinge. Einer wird zum Alleinerben eingesetzt, der andere wird von der Erbfolge ausgeschlossen.
Beide, sowohl der Erbe als auch der Pflichtteilsberechtigte, sind Bezieher von Bürgergeld. Der Nachlass beträgt 50.000 Euro.
Der Pflichtteilsberechtigte muss seine 12.500 Euro beim Bürgergeld als Einkommen zur Anwendung bringen, während der Erbe den Betrag von 37.500 Euro vollkommen anrechnungsfrei genießen kann.
Eine derartig getroffene Regelung zeigt, dass hier beim Bürgergeld nicht mit der notwendigen erbrechtlichen Sorgfalt gearbeitet worden ist.
Gerade beim Behindertentestament, auch bezeichnet als Handicap-Testament, ist die Regelung vollkommen unüberlegt.
Die üblichen Regelungen, die bislang einträchtig nebeneinanderstanden wie Vor- und Nacherbfolge und Vor- und Nachvermächtnis, werden nunmehr durch diese unglückliche schlampige Gesetzesvorlage auseinanderdividiert.
Leistungen des Testamentsvollstreckers aus der Substanz des Vorerben sind bürgergeldneutral, während Leistungen des Testamentsvollstreckers aus dem Vermögen des Vorvermächtnisnehmers wiederum als Einkommen qualifiziert werden und somit nicht bürgergeldneutral sind.
Es bleibt abzuwarten, ob denn in Zukunft eine adäquate zutreffend richtige Gesetzesformulierung erfolgen wird.
Dies bedeutet, dass zahlreiche letztwillige Verfügungen hier derzeit neu überdacht werden müssen.
Die Erbrechtskanzlei Eulberg & Ott-Eulberg wird die möglichen Korrekturen beim Bürgergeld auf die erbrechtliche Relevanz abklären.