Redliche Ausübung einer Vorsorgevollmacht/Betreuung

Eine Betreuung hat nicht den Zweck, das Vermögen der/des Betroffenen zugunsten eines gesetzlichen Erben zu erhalten oder zu vermehren.

Häufig regen Verwandte eines Betroffenen, welcher aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht mehr in der Lage ist, seine Geschäfte selbst zu erledigen, die Einrichtung einer Betreuung durch das zuständige Betreuungsgericht an.

Hat der Betroffene zuvor, im Zustand der Geschäftsfähigkeit, eine Vorsorgevollmacht (mit Betreuungsverfügung) errichtet und einen oder mehrere Bevollmächtigte ernannt, so erübrigt sich die Bestellung eines Betreuers durch das Betreuungsgericht.

Ein Betreuer darf nur bestellt werden, soweit die Betreuung erforderlich ist (§ 1896 II 1 BGB). Die Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen auch durch den oder die genannten Bevollmächtigten besorgt werden können (§ 1896 II 2 BGB).

Bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht (mehr) entsprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt, kann ein sogenannter Kontrollbetreuer vom Betreuungsgericht bestellt werden.

Regelmäßig wird eine solche Kontrollbetreuung auf bestimmte Lebensbereiche – wie z.B. die Vermögenssorge – beschränkt.

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht im Interesse des Betroffenen handelt, sind gegeben, wenn der Bevollmächtigte mit den vorzunehmenden Geschäften qualitativ oder quantitativ überfordert ist oder wenn Bedenken gegen seine Tauglichkeit oder Redlichkeit bestehen.

Anhaltspunkte können z.B. sein die Verwahrlosung des Betroffenen und seiner Wohnung, die Nicht-Zahlung von laufenden Verbindlichkeiten wie Stromkosten und Arztrechnungen oder die häufige Barabhebung hoher Geldbeträge von Konten des Vollmachtgebers. Letzteres kann insbesondere dazu führen, dass sich die Bank des Betroffenen an das zuständige Betreuungsgericht wendet mit der Bitte um Überprüfung, ob ein Kontrollbetreuer bestellt werden sollte.

Als Maßstab für die Rechte und Pflichten des Bevollmächtigten im Innenverhältnis zu dem Vollmachtgeber gelten einerseits die ggf. in der Vorsorgevollmacht konkret erteilten Weisungen, andererseits der einer Vorsorgevollmacht generell zugrundeliegende Zweck der sachgemäßen Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen.

Der einem Bevollmächtigten erteilte Auftrag bzw. ihm erteilte Weisungen sowie das Interesse des Vollmachtgebers können allerdings auch die Verfolgung freigiebiger Ziele umfassen.

Es können somit auch Zuwendungen an Dritte getätigt werden, sofern dies in Kontinuität zu der vom Vollmachtgeber in gesunden Zeiten geübten Praxis steht und keinen selbstschädigenden Umfang annimmt.

Eine Zuwendung auf Wunsch des Vollmachtgebers läuft nicht bereits dann seinem Wohl zuwider, wenn sie seinen objektiven (finanziellen) Interessen widerspricht. Vielmehr ist sein Begehren im Grundsatz beachtlich, sofern dadurch nicht seine gesamte Lebens- und Versorgungssituation erheblich verschlechtert würde.

Unproblematisch dürfte hier z.B. eine größere Schenkung an einen Enkel zum 18. Geburtstag, zur Führerscheinprüfung, zum Studienbeginn oder zum Ausbildungsabschluss sein, soweit der Betroffene dies bei weiteren Enkeln früher auch selbst so gehandhabt hatte.

Ebenso kann der Zuschuss zum Erwerb einer Immobilie durch einen Abkömmling unverfänglich sein, soweit dies in Einklang mit den früher geäußerten Plänen oder der früher gelebten Praxis des Bevollmächtigten steht, sogar, wenn es sich bei dem begünstigten Abkömmling um den Bevollmächtigten handelt.

Eine Vollmacht wird nämlich nicht schon dann zweckwidrig verwendet, wenn der Bevollmächtigte Tätigkeiten im Namen des Vollmachtgebers vornimmt, die auch ihm selbst oder einem Angehörigen einen Vorteil verschaffen.

So gilt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung als unbedenklich, wenn der Bevollmächtigte im Namen einer Vollmachtgeberin ein Darlehen aufnimmt, welches der Finanzierung eigener Geschäfte dienen soll, nachdem die Vollmachtgeberin in gesunden Zeiten selbst entsprechend gehandelt und den Bevollmächtigten finanziell mehrfach in hohem Maße unterstützt hatte.

Auch die Gewährung eines Darlehens im Namen der Vollmachtgeberin an eine aus deren Umfeld stammende dritte Person ist im Rahmen der oben genannten Grundsätze nicht zu beanstanden.

Eine Grenze der „Narrenfreiheit“ des Bevollmächtigten wird allerdings z.B. dann erreicht, wenn die Rückzahlung eines im Namen der Vollmachtgeberin gewährten Darlehens oder die Zahlung des vereinbarten Darlehenszinses nicht verfolgt wird.

Sowohl Bevollmächtigter als auch gerichtlich bestellter Betreuer unterliegen nicht grundsätzlich der Verpflichtung, Vermögenswerte, welche der Betroffene nicht selbst benötigt, so anzulegen, dass sie mit dem Tod auf die Erben übergehen.

Es dienen weder die Eigentums- und Erbrechtsgarantie des Art. 14 I 1 GG, noch die Betreuung dazu, das Vermögen des Betroffenen zugunsten eines gesetzlichen Erben zu erhalten oder zu vermehren.

Stattdessen kann – sofern Verhalten und Planung des Betroffenen in gesunden Zeiten hierfür Anhaltspunkte geben – die Sicherung einer würdigen und angemessenen Versorgung, Betreuung und Pflege im Alter primäres Ziel der Verwaltung seines Vermögens sein. Hat der Bevollmächtigte oder Betreuer hierfür Sorge getragen, steht einer freigiebigen Zuwendung an Angehörige, soweit dies in Einklang mit der früher geübten Praxis des Betroffenen steht, nichts im Wege.

Nichtsdestotrotz sollten im Rahmen einer sorgfältigen Vollmachtausübung/Betreuung vor der Vornahme entsprechender Zuwendungen auch die erb-, pflichtteils- und steuerrechtlichen Konsequenzen überprüft werden.

Quellen:
BGH – Beschl. v. 19.05.2021 – XII ZB 518/20
BGH – Beschl. v. 09.05.2018 – XII ZB 413/17
BGH – Urteil v. 22.07.2009 – XII ZR 77/06