Pflichtteilsanspruch = Geldanspruch und kein Noterbrecht

Das deutsche Pflichtteilsrecht unterscheidet sich deutlich vom französischen bzw. italienischen Pflichtteilsrecht.

Die Stellung des Pflichtteilsberechtigten nach deutschem Recht ist schwächer als in anderen Rechtskreisen ausgebildet.

Wenn auf Erbfälle sowohl deutsches als auch französisches bzw. italienisches Recht zur Anwendung kommt, muss jeweils auf Grund der Nachlassspaltung eine getrennte Prüfung vorgenommen werden.

Der Pflichtteilsberechtigte hat lediglich einen Geldzahlungsanspruch in Höhe des Pflichtteilswerts gegen den Erben/die Miterben.

Der Pflichtteilsberechtigte hat weder einen Anspruch auf konkrete Nachlassgegenstände, noch kann er auf die Verwertung des Nachlasses Einfluss nehmen. Er hat auch keinerlei Auskunftsanspruch auf Kontoauszüge des Erblassers.

Vorzeitige Auszahlung des Pflichtteilsanspruchs

Solange der Erblasser lebt, besteht kein Anspruch auf vorzeitige Auszahlung eines Pflichtteils.

Der Pflichtteilsberechtigte und der Erblasser können jedoch eine vertragliche Regelung treffen in Form eines notariellen entgeltlichen Pflichtteilsverzichtsvertrages.

Nach alter Rechtslage konnten nichteheliche Kinder gegenüber ihrem Vater bis zum Erreichen des 27. Lebensjahres den vorzeitigen Erbausgleich gemäß verlangen.

Wenn der vorzeitige Erbausgleich vereinbart worden ist, hat der Abkömmling keinen weiteren Pflichtteilsanspruch.

Fälligkeit des Pflichtteils

Der Anspruch auf den Pflichtteil entsteht mit dem Erbfall.

Der Pflichtteil ist daher mit dem Erbfall zur Zahlung fällig. Die Nachlasszusammensetzung sowie die Art der Pflichtteilsansprüche spielen dabei keine Rolle.

Nach der Gesetzesänderung kann bei besonderen Härtefällen eine Stundung verlangt werden.

Die beauftragte Erbrechtskanzlei hat den Erben bereits ehestmöglich in Verzug zu setzen, um für den Pflichtteilsberechtigten Verzugszinsen geltend machen zu können.

Arten des Pflichtteilsanspruchs

Es gibt unterschiedliche Arten von Pflichtteilsansprüchen:

1.) Ordentlicher Pflichtteil

Der ordentliche Pflichtteil errechnet sich aus dem realen Nachlass. Realer Nachlass ist die Nettosumme aus allen beim Ableben vorhandenen Vermögenswerten abzüglich aller Schulden, zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers.

Der Pflichtteilsberechtigte hat einen Anspruch auf den „ordentlichen Pflichtteil“ aus dem realen Nachlass, wenn er vom Erblasser von der Erbfolge ausgeschlossen wurde. Der reale Nachlass ist das Nettovermögen des Erblassers zum Zeitpunkt seines Ablebens.

Die Enterbung kann dadurch erfolgen, dass

  • ausdrücklich im Testament oder Erbvertrag der Pflichtteilsberechtigte von der Erbfolge ausgeschlossen wird
    Beispiel: Meinen Ehepartner schließe ich von der Erbfolge aus.
  • andere Personen als der Pflichtteilsberechtigte zu Erben bestimmt werden und der Pflichtteilsberechtigte übergangen wird.
    Beispiel: Ich setze zu meinem Alleinerben meinen Fußballverein, den FC Augsburg ein.

2.) Zusatzpflichtteil

Falls eine pflichtteilsberechtigte Person vom Erblasser mittels einer letztwilligen Verfügung als Erbe eingesetzt wurde und der ihr zugewendete Erbteil niedriger ist als der ihr zustehende Pflichtteil, dann hat diese Person einen Anspruch auf den sogenannten Zusatzpflichtteil; eventuell erfolgte Schenkungen mit Anrechnungsvereinbarung sind zu beachten.

Der Wert des Zusatzpflichtteils ist die Differenz zwischen dem Wert des zugewendeten Erbteils und dem Wert des Pflichtteils.

Ab dem 01.01.2010 sind die dafür vorgesehenen Rechtsänderungen zu beachten.

Der Zusatzpflichtteil wird auch aus dem realen Nachlass berechnet.

Den Zusatzpflichtteil kann die pflichtteilsberechtigte Person geltend machen, wenn die pflichtteilsberechtigte Person zwar als Erbe eingesetzt wurde, die Erbquote aber geringer ist als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Dann kann der Pflichtteilsberechtigte, der auch Erbe ist, den Differenzwert als Zusatzpflichtteil einfordern.

Beispiel:
Der Nettonachlass: beträgt 100.000,- €.
Erblasser E ist nicht verheiratet und hat einen Abkömmling. Der Erblasser E setzt zu seinen Erben seinen Abkömmling zu 1/10 und den Tierschutzverein Augsburg zu 9/10 ein. Der Zusatzpflichtteil beträgt 40.000,- €.
Der Abkömmling hat einen Erbteil von 1/10 somit 10.000,00 €.
Der Abkömmling hat einen Pflichtteil von 1/2, somit Restpflichtteil 40.000,00 €.

3.) Pflichtteilsergänzungsanspruch

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch wird aus dem verschenkten Vermögen des Erblassers errechnet.

Wenn der Erblasser zu seinen Lebzeiten sein Vermögen verschenkt hat, kann der Pflichtteilsberechtigte einen Pflichtteilsergänzungsanspruch haben.

Es hat eine Berechnung des sogenannten „fiktiven Nachlasses“ zu erfolgen. Bei dieser Berechnung werden die verschenkten Vermögenswerte dem Nachlass hinzugerechnet.

Wegfall des Pflichtteilsanspruchs

In folgenden Fällen hat der enterbte Pflichtteilsberechtigte keinen Anspruch auf den Pflichtteil:

  • wenn der Pflichtteilsberechtigte einen Erbverzicht oder Pflichtteilsverzicht erklärt hat, der notariell beurkundet ist oder vor Gericht in einem Prozessvergleich zustande kam,
  • wenn der Verstorbene dem Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteil wirksam entzogen hat,
  • wenn der Pflichtteilsberechtigte mit dem Erblasser vor dem 01.04.1998 einen wirksam zustande gekommenen vorzeitigen Erbausgleich abgeschlossen hat,
  • wenn der Abkömmling des Erblassers wegadoptiert wurde.